24.11.2015
Nach diesem längeren Stadtaufenthalt, machen wir uns wieder auf den Weg, um die freie Natur zu bewundern. Die Fahrt führt uns jetzt weiter auf den Altiplano und damit immer höher hinauf.
Die Landschaft ändert sich in Form und Farbe immer wieder nach einigen Kilometern und es wird zunehmend trockner, obwohl der Himmel stellenweise sich ziemlich verdunkelt.
Wir erreichen die 4.000 m Höhengrenze und beschließen, einige Tage auf dieser Höhe, zwecks Anpassung zu verweilen. Also biegen wir von der Hauptstraße ab und versuchen abseits ein schönes Plätzchen zu finden, wo wir uns akklimatisieren können. Ein Platz ist relativ schnell gefunden.
Hinter uns ein verlassener kleiner Berghof, vor uns in der Tiefe ein kleiner Bach, von dem ich einen Eimer Brauchwasser hole, und dabei ganz schön außer Puste komme und dahinter auf der gegenüberliegenden Anhöhe drei Kleingehöfte, die von älteren Einheimischen bewohnt und bewirtschaftet werden.
Wir haben von unserem Standort aus eine gute Gelegenheit, den Tagesablauf auf uns einwirken zulassen. Kurz bevor es dunkel wird, erscheint über dem Berg der Mond in seiner schon fast vollen Pracht.
25.11.2015
Die Haupteinnahmequelle scheint bei jedem Hof die Lamaherde zu bilden. Sie umfaßt ca. 50 – 60 Tiere. Daneben hat der uns gegenüberliegende Hof noch kleine Ackerflächen, die mit Quinoa (https://de.wikipedia.org/wiki/Quinoa) und etwas Mais bebaut werden und 3 Hühner. Jetzt im Frühjahr können wir nur ein grünendes Quinoafeld ausmachen, die anderen sind abgeerntet.
Oma und Opa, wie wir die beiden Bewohner bezeichnen, denn mit Sicherheit leben ihre Kinder in einer Stadt oder in einem nahen Ort, wie uns oft berichtet wurde, wo sie zur Schule gehen, sind heute getrennt. Oma ist seit ca. 6:00 Uhr mit der Lamaherde unterwegs. Opa ist nun den ganzen Tag beschäftigt, Erde mit einer Schubkarre in den Coral (die mit einer Steinmauer geschützte Schlafstelle der Lamas) zu fahren um den Boden damit auszukleiden. Die Erde wird aufgehackt, befeuchtet, durchgemengt und anschließend in den Coral gefahren und verteilt. Lamas sind sehr sauber, und wie immer wieder zu bemerken ist, so hinterlassen sie ihren Kot immer an ganz bestimmten Stellen, diese werden dann von allen Tieren benutzt. Das ist in diesem Fall vor dem Coral, wie an der dunklen Stelle deutlich sichtbar ist.
In der Höhe geht alles sehr langsam vonstatten, das geht uns natürlich nicht anders. Bei den kleinen Spaziergängen, die wir unternehmen, bemerken wir schnell, daß wir unsere Schrittlänge und Schrittfolge so ausrichten müssen, daß wir nicht außer Atem kommen. Doch das geht schneller als gedacht, und so bewegen wir uns eben auch langsamer, wie die Lamas. Die aufkommenden Kopfschmerzen, die wir in Sucre schon sehr unangenehm auftraten, haben sich gelegt, da wir jetzt 3x täglich Mate mit reichlich Cocablättern trinken. Die Atmung ist etwas leichter und der Kopfdruck ist weg. Der Himmel ist heute leicht bewölkt und ab und zu tröpfelt es auch einmal. Das ist hier wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Der Wind bläst tagsüber kalt und treibt den leichten Sand in großen Staubfahnen über den Boden und durch das Tal. Das Atmen durch die Nase wird erschwert durch die immer wieder platzenden kleinen Äderchen und durch die starke Austrocknung in dieser Höhe. Doch an das alles gewöhnen wir uns nach und nach.
Bei einem kleinen Spaziergang erkunden wir die nähere Umgebung, den verlassenen Hof hinter uns.
Der dahinterliegende Hof scheint offensichtlich noch älter zu sein.
Später laufen wir das ausgetrocknete Bachbett hinauf, an dessen Rändern die Vögel ihre Schlafplätze haben.
Zwischen den Gesteinsschichten befindet sich ein Material, was uns im ersten Moment an Torf erinnert und ebenso leicht und brüchig ist, bei näherer Betrachtung läßt es sich leicht zerreiben und übrig bleibt ein feiner schwarzer Staub.
Gegen 17:30 Uhr kehren langsam auch die Lamas wieder zurück und auch Oma wird nach einiger Zeit zwischen den Tieren wieder sichtbar. Langsam trotten die Tiere zum Coral und verschwinden nach und nach im Inneren.
Mit ihren langen Hälsen schauen sie noch etwas über die Steinwände, doch wenn sie liegen sind sie nicht mehr sichtbar.
Gegen 19:30 Uhr kommt Rauch aus dem Schornstein, Oma beginnt zu kochen. Eine Stunde später ist es dunkel und ringsum herrscht Ruhe. Nur über uns wölbt sich der funkelnde Sternenhimmel, bis der aufsteigende Mond mit seinem fahlen Licht die glitzernde Pracht überstrahlt.
26.11.2015
Als wir aufstehen, sind die Lamas schon lange wieder unterwegs, um die kleinsten frischen Spitzen zwischen den Steinen zu finden. Oma ist heute auch zu Hause. Langsam sucht sie ihr Feld auf, geht den Weg nach unten und beginnt dann die jeweils für zwei Reihen zuständigen, am Rande liegenden 3 Steine umzudrehen. Danach wendet sie die Erde, die sich immer zwischen den beiden Steinhäufchen befindet, um anschließend bis in die Mitte des Feldes zu gehen. Dort verweilt sie eine Zeitlang und geht danach zurück. Das macht sie bei jeder zweiten Reihe. Am Ende schließlich umrundet sie langsam das ganze Feld, beginnend von der weißen Fahne, die sich im oberen Teil des Feldes befindet. Derartige Fahnen haben wir bei vielen Feldern vorgefunden. Eine Vogelscheuche kann es nicht sein, denn auf der Spitze saß hin und wieder ganz gemütlich ein Vogel.
Nach diesem Feldritual wendet sich Oma wieder anderen Arbeiten zu, alles mit einer ausgemachten Ruhe. Dabei ist uns aufgefallen, das tierischer Kot, sei es von den Lamas, Schafen oder Eseln, nicht als Felddüngung verwendet wird, wie es in anderen Teilen der Welt oft geschieht.
Opa hat heute begonnen eine kleine Steinmauer zu mauern. Entsprechende Felsbrocken für den unteren Teil werden von ihm zurechtgeschlagen, Erde wird herangekarrt und mit Zement vermischt und dann werden die Steine gesetzt.
Am Nachmittag kommt irgendeine Nachbarin und nun halten sie alle ein ausgiebiges Schwätzchen, wobei allerdings Opa seine Arbeit gelegentlich fortsetzt. Sicher sind auch wir ein Gesprächsthema, zumal von einigen einheimischen bereits angesprochen worden sind und ihnen erklärt haben, weshalb wir hier stehen. Alle hatten dafür vollstes Verständnis. So vergeht die Zeit am Nachmittag auch recht schnell.
Pünktlich gegen 17:30 Uhr kommen auch die Lamas langsam wieder abgetrottet, diesmal ganz alleine. Auch die anderen Herden werden jetzt langsam zusammengetrieben und gehen jeweils in ihre gewohnten Unterkünfte. Danach wird gekocht und anschließend tritt wieder Ruhe ein und auch der Wind hat sich gelegt. Der Mond kommt heute etwas später über den Berg geschlichen und taucht alles wieder in sein fahles Licht.