Bei unserem Spaziergang am Strand treffen wir auf Carlos aus Villa General Belgrano. Er wohnt in einem Apartment einige 100 m entfernt mit seiner Familie. Mit 3 Pkw’s sind sie die Strecke ohne Stop durchgefahren, um hier nun etwa 10 Tage Urlaub zu machen. Jetzt um diese Zeit ist es noch relativ leer und auch er möchte hier nicht im Sommer, in den Ferien, Urlaub machen. Da sind wir uns einig.
Die Tage am Strand vergehen recht schnell. Nach knapp einer Woche beschließen wir, den Rückweg zu Stillen Ozean anzutreten. So fahren wir über Florianópolis westlich in die Berge, denn die Autobahn an der Küste entlang scheint uns zu langweilig, denn auf der Herfahrt haben wir diese schon ausgiebig genossen. Es reicht.
Über die Landstraßen fahren wir Richtung Blumenau, einer vom deutschen Apotheker Hermann Blumenau 1850 gegründeten Stadt.
Ungefähr in den ersten 100 Jahren nach der Gründung der Kolonie war Deutsch die vorherrschende Sprache in Blumenau. Sie wurde zunächst als einzige Sprache verwendet, da die ersten Kolonisten ausschließlich aus Deutschland kamen. Mit zunehmender Einwanderung aus anderen europäischen Ländern und brasilianischer Binnenwanderung wurden in Blumenau auch andere Sprachen (insbesondere Italienisch und Polnisch) gesprochen. Sie waren aber auf die jeweiligen Einwanderer begrenzt. Als Verkehrssprache galt in Blumenau und der ganzen Region Deutsch. Die deutschsprachigen Auswanderer und deren Nachfahren verfügten über eine gute Infrastruktur aus Schulen, Vereinen, Theatern und ähnlichen Einrichtungen.
Mit der Politik des Estado Novo (Neuer Staat von 1937–1954) unter dem mit diktatorischen Vollmachten ausgestatteten Präsidenten Getúlio Vargas wurde in Brasilien eine Nationalisierungskampagne durchgeführt, die auch die deutschsprachige Gemeinschaft betraf, da der Staat den Assimilierungsprozess forcierte. Als Brasilien am 22. August 1942 auf Seiten der Alliierten in den Zweiten Weltkrieg eintrat, verschärfte sich die Situation für die deutschsprachige Bevölkerung nochmals. Schulen, in denen Deutsch unterrichtet wurde, wurden geschlossen, die Verwendung der deutschen Sprache wurde verboten und das Portugiesische hielt auch in Blumenau Einzug. Obwohl heute Portugiesisch die vorherrschende Sprache in Blumenau ist, hat sich in Teilen der Bevölkerung Deutsch als Umgangssprache erhalten. (Wikipedia)
Wir durchfahren die Stadt, denn, wie man uns berichtete, sind zwar noch einige Fachwerkhäuser hier und dort verstreut in der Stadt zusehen, doch mit über 300.000 Einwohnern ist sie jetzt eine Großstadt mit all ihrem unruhigen Treiben. Obwohl auch die Plaza wieder schön hergerichtet worden sein soll, zieht es mehr zu der näheren ländlichen Umgebung, die noch eher den deutschen Charakter und Lebensstil aufweist.
Der Weg führt uns nach Pomerode, dieser kleine Ort mit über 33.000 Einwohnern könnte auch in Deutschland liegen. Um das Jahr 1863 wurde er von pommerschen Siedlern gegründet und hat heute noch mit ca. 92 Prozent der Stadtbevölkerung den größten Anteil deutschstämmiger Einwohner Brasiliens. Seit 2010 ist Deutsch die zweite offizielle Sprache der Stadt. Ostpommersch als Umgangssprache, deutsch als Schriftsprache.
Auf unsere Suche nach einem Campingplatz gelangen wir zwar zu dem großen Festplatz, an dem jährlich für eine Woche „Festa pomerana“ mit Trachten, Blasmusik und kulinarischen Angeboten stattfindet, doch hier fühlen wir uns recht unwohl. Die Atmosphäre dieses Ortes reizt uns nicht zum Übernachten. Leider finden wir keinen Campingplatz.
Statt dessen aber einen friedlichen Ort auf einer der großen Tankstellen, die es in Brasilien gibt. Mit Dusche und WC versehen, meist ist auch noch mit einem Restaurant angeschlossen. Selbst einen Stromanschluß machen wir ausfindig und es ist sehr ruhig zum Übernachten.
Am nächsten Morgen spricht uns der Besitzer der Tankstelle in deutsch an, nachdem er ausgiebig das Nummernschild am Auto betrachtet hat. Allerdings müssen wir sehr genau hinhören, denn der Klang ist etwas ungewohnt, zumal er etwas nuschelt. So erfahren wir von ihm einige Einzelheiten über die wirtschaftliche Lage in der Gegend. Zu unserer Verwunderung vernehmen wir, daß die Landwirtschaft hier in dem bergigen Bereich nur zum „Sport“, wie er sich ausdrückt, betrieben wird. Es ist alles viel zu teuer. Hühnerhaltung z.B. lohnt sich überhaupt nicht, weil die Kosten für das Futter höher sind als der spätere Erlös. Die Umweltauflagen seien ebenfalls sehr streng, betont er, für jeden Baum der gefällt werden soll, benötigt man eine Genehmigung. Bei Zuwiderhandlungen gibt es schnell hohe Strafen. Das wurde uns auch später von anderer Seite, an einem anderen Ort in Brasilien, ebenfalls bestätigt.
Am nächsten Tag geht es weiter Richtung Westen in diesem bergigen Bereich. Die Straße wird wieder einmal asphaltfrei, aber an so etwas sind wir nun schon länger gewöhnt. Die Häuser wirken in dieser urwaldähnlichen Umgebung etwas fremd. Es ist ein wahrer Widerspruch, der sich in uns offenbart Dann kündigt der Rauch von Ferne eine kleine Ziegelbrennerei an.
Das feuchte Klima läßt hier wunderbar die Reispflanzen gedeihen, die uns jetzt mit ihrem frischen und saftigem Grün von den Feldern grüßen, vor dem Hintergrund eines fast drohend anmutenden Urwaldes. Dann gibt uns die Straße ein Beispiel, wie es aussehen könnte, wenn es hier regnet. Doch jetzt wo wir uns auf dem Weg befinden, ist es schon wieder trocken.
Neben der kleinen Landwirtschaft wird auch hier Holzwirtschaft betrieben. Eukalyptusbäume, die schnell wachsen stehen dichtgedrängt in streng eingezäunten Bereichen. In einer Waldschneise werden wir Zeuge, wie die „Holzernte“ beladen und abtransportiert wird. Bei Regen und auf diesen kleinen glitschigen Wegen, dürfte das auch ein kleines Abenteuer für sich sein, denn klein sind diese Lkws nun auch nicht gerade und eine Überladung dürfte hier die Regel sein.
Auffällig für uns war schon immer hier in Südbrasilien die Fülle von Hortensiensträuchern. Doch auf diesem Wegschnitt werden wir regelrecht damit überschüttet. Die teilweise über 2,50 m hohen Hortensienhecken die den Wegesrand säumen sind wirklich einmalig schön und sehr beeindruckend.
Am Wegesrand fällt uns plötzlich ein schön restauriertes russisch anmutendes Gebäude auf, was so ganz aus dem Rahmen fällt.
Am Rande eines kleinen Ortes werden wir auf eine Tankstelle mit einem wunderschönen Restaurant aufmerksam. Am Waldesrand gelegen, mit einem Teich voller Kois, einem Kleien Park und einem Pfauengehege. Genau der richtige Ort um zu Übernachten und etwas zu essen. Da diese Tnakstelle keinen 24 Stunden Service hat, tritt auch später eine völlige Ruhe ein.
Nachdem wir am nächsten Tag weiterfahren, beginnt die Landschaft sich sehr zu verändern. Neben kleinen Tabakfeldern weitet sich der fast unberührte Wald aus. Hin und wieder begegnen wir den Überresten der alten Eisenbahn. Gegen Mittag erreichen wir die große Staumauer des Reprea Salto Osório. Hier wird der Rio Iguazú auch nochmal aufgestaut. Bevor wir den Damm überfahren können, werden wir gezwungen unsere Geschwindigkeit zu reduzieren. Das ist hier in Brasilen unbedingt nötig, denn die Brasilianer würden diesen Damm auch mit sehr viel höheren Geschwindigkeiten gerne überqueren. Die Trockenheit der letzten Jahre, von der uns auch von Einheimischen berichtet wurde, ist an dem Wasserstand des Stausees gut ablesbar.
Neben Tabakfeldern sehen wir große Sojaplantagen, die bis an den Rand bepflanzt wurden. Auffällig der massive Einsatz von Pestiziden und Herbiziden. Die Feldränder sehen aus wie von Hand versäubert. Die hier vorherrschende rote Erde ist sehr fruchtbar und bei Feuchtigkeit rutschig wie Lehmboden.
Am 06.12.2019 erreichen wir den alten brasilianischen Campingplatz bei den Iguazúwasserfällen. Nun, wir kennen diesen Platz, der schon einmal bessere Tage gesehen hat.
Vielleicht ist es im Sommer hier etwas voller, jetzt werden die Gäste lediglich mit einem Shuttlebus von der Hauptstraße zu dem kleinen abseits gelegenen Lokal hier auf dem Platz gebracht. Angeboten wird ein recht preisgünstiges Buffet nach dem Motto: „Essen wie zu Hause“. Wie der Eigentümer uns berichtet, bewirtet er im Sommer bis zu 500 Gäste am Tag. Vor Jahren hatten wir es selbst sehen können, dann hängen „halbe Rinder“ (media Waka) am Grill. Mehrere Rinderhälften nebeneinander an einer Kette aufgehängt, die dann langsam immer wieder am Feuer, welches an einer Seite mit dicken Baumstämmen am Leben erhalten wird, vorbeiziehen. Ehe es richtig genießbar ist, vergehen allerdings 6-8 Stunden. Aber dann….
In der Vorsaison ist davon noch nichts zu spüren.
In der Nacht sind wir allein auf dem gesamten Gelände. So werden wir auf unserem abendlichen Gang zu den Toilettenanlagen von einem Weg sich bewegender Blätterreste überrascht. Als wir daraufhin genauer den Erdboden unter die Lupe nahmen, müssen wir erkennen, daß hier Termiten bei der Arbeit sind. In unermüdlicher Aktivität werden die vom Wind abgerissenen Blätter zerkleinert und in den unterirdischen Termitenbau geschleppt. Am Tage sind nur diese unbelebten ausgetretenen Wege sichtbar, sofern sie durch Grasbereiche führen. Hier auf dem befestigten Weg ist am Tage nichts sichtbar.
Neben den verschiedensten Schmetterlingen und Nachtfaltern von beachtlicher Größe, haben wir auch die, hier in Gruppen frei lebenden Nasenbären, die in Brasilien Quati genannt werden, in unserer Nähe beobachten können. Von den Affen, die sich über die Kronen der Bäume ihren Weg suchen, haben wir allerdings nichts bemerkt, davon hat uns lediglich der Eigentümer erzählt.
An dem Hauptzugangsweg zu den Wasserfällen, die nur mit einem Bus erreichbar sind, wurde neben dem Hubschrauberlandeplatz eine Verkehrsmaschine plaziert. Obwohl der Flugplatz in unmittelbarer Nähe ist, macht die Maschine dort vielmehr den Eindruck, als hätte sie sich verirrt. Sie wirkt etwas deplaziert.
Mit dem Helikopter kann man natürlich immer noch eine Runde über den Wasserfällen drehen. Das Geschäft wurde ausgeweitet. Es verkehren jetzt 3 Helikopter immer abwechselnd, die 6 -8 Personen fassen. Mit Start und Landung ca. 15 Minuten, zu 120,- Dollar je Person. Die Flüge langverkehren ununterbrochen, in der Regel mindestens 8 Stunden. Wir haben es auch schon 12 Stunden lang erlebt, denn die Flugroute führt direkt über den Campingplatz. Man gewöhnt sich erstaunlich schnell an das Geräusch.
Da wir in diesem Jahr die Wasserfälle nicht aufsuchen werden, denn wir waren bereits zweimal dort auf beiden Seiten, besuchen wir statt dessen den Vogelpark „Parque das Aves“, der sich gegenüber des Helikopterplatzes befindet. In die subtropische Landschaft wunderbar integriert, können wir neben den verschiedenen Vögeln, Fischen, Schmetterlingen und anderen Tiere auch blühende tropische Pflanzen bewundern. Während die Besucher ihr leibliches Wohl stärken können, trägt eine einheimische Gruppe am Rande Lieder aus ihrer Kultur und in ihrer Sprache vor.
Eindrücke aus dem Vogelpark
Weitere Bilder hier auf der Seite: Im Vogelpark – PARQES DAS AVES